Sehr geehrte Damen und Herren!
Aufgrund einer nun fast lebenslangen Freundschaft hat mich Rose Lichtenberger damit betraut, eine Einführung in ihre – hier zur erlebende Ausstellung – zu geben. Eine Aufgabe, die ich gerne angenommen habe:
zum einen: weil ich bereits als Roses ehemaliger Kunsterzieher mich mit verantwortlich fühlte für ihr Werden, indem ich ihr und ihren Eltern den Weg gezeigt und sie darin bestärkt hatte, selber Kunsterzieherin zu werden –
zum anderen: indem ich mich selber – von Anlage und Studium der Malerei her, mit der plastischen und Objektkunst immer etwas schwer getan habe – und so, anfangs staunend und dann mit zunehmendem Interesse Roses allmähliches Erwachen als Skulpturen schaffende Künstlerin miterleben und in vielen Gesprächen auch begleiten konnte.
Selbstverständlich hat sie grundlegende Regeln und ästhetische Maßstäbe im Studium an der Kunstakademie Düsseldorf kennen und anwenden können. Ihrem Lehrer Joseph Beuys insbesondere verdankt sie die Aufmerksamkeit der eigenen Motivation Kunst herzustellen und den Widerstand des Materials zu akzeptieren.
Von ihm, Joseph Beuys, hat sie auch die Einstellung, mit besonderer Achtsamkeit die Problematik der handwerklichen Realisierung zu verfolgen.
Hier gibt es nämlich keinen festen Grund – weder weiß die Künstlerin, wie das Werk am Ende sein soll, noch weiß sie von Anbeginn, was das Material an Bearbeitung braucht, um letztlich das Leben zu erlangen, das erst aus einem Werkstück ein Kunstwerk macht.
Und so beginnt jedes Mal ein tastender Dialog. Indem die Skulptur an Masse verliert – es wird ja Material weggeschlagen, abgehoben, geschliffen – gewinnt sie an Gestalt. Während die Bildhauerin ihrem Handwerk nachgeht, muss sie aber geistesgegenwärtig genug sein, hinschauend immer wieder genau zu prüfen, ob die optimale Gestalt bereits erreicht ist. Diese Übung führt Rose Lichtenberger feinfühlig, geduldig an den Punkt, wo Idee und Material zu ihrem Recht kommen und sich offenbar wohl fühlen.
Das Material (wörtlich: Holz) ist nicht – wie beim Modellieren mit Wachs oder Ton passiv, abformend – sondern hart oder weich, faserig oder porös, dicht oder verwachsen. So beeinflusst es schon bei seiner Auswahl die Künstlerin. Es erweist sich auch im Bearbeitungsprozess als nachgiebig oder widerständig und bestimmt in der Gestaltung tatsächlich mit, was es werden kann und ob es wird, was die Künstlerin will. Wenn sich dann beide irgendwann einig geworden sind, ist das Werk im wahrsten Wortsinn vollendet.
Aber Halt!
Streng genommen ist auch das vollkommenste Kunstwerk nur ein wortloser Text und bleibt stumm, wenn nicht der interessierte Blick des geneigten Betrachters ihn liest und es durch sein Interesse zum Sprechen bringt. Anders geht es nun mal nicht: Man muss die Kunst – d.h. ihre Werke mögen und etwas von ihnen erwarten und erfragen, sonst sagen sie einem nichts.
Wenden wir uns nun einer anderen Form des »Begreifens» und »Bildgestaltens» zu, den Holzschnitten:
Vor einiger Zeit hat Rose Lichtenberger diese, für ihr Kunstschaffen neue Form des Realisierens und Bilderfindens sich zu eigen gemacht und darin sogleich eine beachtliche Transparenz und erstaunliche, künstlerische Qualität und Dichte erreicht. Der Holzschnitt ist wie der Linolschnitt ein Hochdruck. Dabei wird ein Bild auf eine Platte gezeichnet oder gemalt und dessen Helligkeiten werden weggeschnitten. Mit der so gestalteten Platte kann die Künstlerin dann – wie mit einem großen Stempel – dieses geschnittene Bild auf Papier drucken. Nun gibt es natürlich auch die genau umgekehrte Möglichkeit: Dann muss die Zeichnung z.B. eines Baumes herausgeschnitten werden. Aber mit dieser Umkehrung ist dann auch die Notwendigkeit verbunden, die Farbigkeit umzukehren, d.h. mit heller Farbe auf dunklem Grund zu drucken. Wie Rose es macht.
Während sie in der Skulptur eine ungeheuere Verdichtung auf oder besser in einem Objekt konzentriert, stellt Rose Lichtenberger ihre Aufmerksamkeit hier auf die Größe landschaftlicher Räume und Erscheinungen. Dass es ihr hier auch wieder um ein Erfassen, Begreifen – also um Wahrnehmung und ein Problem des Erkennens geht, lässt sich sowohl an ihrer individuellen Methode der Darstellung, wie auch ihrer eigenen Benennung dieser Werkreihe erkennen: ihr Name für einige Bilder ist Camouflage, was soviel wie Tarnung, Maskerade bedeutet.
Anders als im Kubismus geht es hier nicht um Volumen und objekthafte Form, sondern um Licht und Schatten, Hell und Dunkel, Rhythmus und Struktur. Sie löst das Gegenständliche der Landschaft aber nicht völlig auf (wie der späte Monet in seinen Seerosenbildern), sondern sie deutet es um in ein Teppichmuster ähnliches Hell-Dunkel-Spiel, in dem das Auge des Betrachters träumend in gelassener Schau eine neue Weltsicht finden kann.
Wie ich schon sagte, man muss sich auf diese Werke einlassen und mit der Künstlerin ins Gespräch kommen, in Kontakt treten. Auch hier gilt: Nur im Austausch entsteht Leben und Lebendigkeit!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen schöne Erlebnisse und Dir, liebe Rose, einen guten und reichen Erfolg Deiner schönen und interessanten Ausstellung.
Vielen Dank.